
Herr Imholz, statt zwei Millionen gibt es 30000 Euro für den Schelmengraben sind Sie enttäuscht?
Da wir nach den Kürzungen nicht mehr damit rechnen konnten, überhaupt noch in das Programm Soziale Stadt aufgenommen zu werden, sind wir jetzt froh, doch den Fuß in die Tür bekommen zu haben.
Wie kann mit diesem Kleckerbetrag die Lebensqualität in der Hochbausiedlung spürbar verbessert werden?
Der Bescheid ist für uns der Einstieg. Wir hoffen, dass Bund und Land künftig mehr Geld zuschießen. Außerdem bedeutet diese Aufnahme ins Programm, dass auch die von der Stadt für den Schelmengraben reservierten Mittel ausgegeben werden dürfen.
Wie viel Geld steht für den Schelmengraben jetzt zur Verfügung?
Insgesamt haben wir ein Startkapital von 176000 Euro.
Damit kann man aber auch keine großen Sprünge machen …
Bei dem Programm geht es ohnehin weniger um ein Großprojekt, das realisiert wird.
Sondern?
Es geht darum, zusammen mit den Bewohnern und den Institutionen vor Ort viele Ideen zu entwickeln, wie die Lebensqualität gesteigert werden kann.
Was tun Sie als Erstes?
Wir werden wie im Westend und in Biebrich Südost einen Quartiersmanager einsetzen.
Was macht dieser Quartiersmanager?
Er oder sie ist ein Ansprechpartner, der sich mit den anderen Institutionen wie Kitas, Vereinen und der Schulsozialarbeit vernetzt. Dann können die Bedürfnisse ausgelotet und passende Projekte erarbeitet werden, die die Bildungs- und Erwerbsbeteiligung in dem Stadtteil erhöhen.
Wie kann ein Quartiersmanager Arbeitsplätze schaffen?
Er kann mit dem städtischen Jobcenter Angebote entwickeln, die die Bewohner fit machen und motivieren, einen Job anzunehmen. Und für solche Projekte soll der Quartiersmanager auch Drittmittel zum Beispiel von der EU oder Stiftungen akquirieren.
Intensiv-Deutschkurse, Hausaufgabenbetreuung und ein Kinder-Eltern-Zentrum gibt es bereits. Reicht das nicht?
Die Nachfrage ist viel höher. Die Menschen im Schelmengraben nehmen Hilfe nämlich gerne an, weil sie sehen, dass es ihnen und ihren Kindern etwas bringt.
Schön ist es im Schelmengraben nicht: Es gibt kaum Grünflächen, das Einkaufszentrum ist verkommen und das Stadtteilzentrum sanierungsbedürftig. Wird es mangels Geld so bleiben?
Da muss ich Sie korrigieren: Wer nicht nur durchfährt, sondern mal abbiegt, entdeckt viele Grünflächen. Auch die Wohnungsgesellschaft GWH sorgt für ordentliche Außenanlagen.
Aber das halb verwaiste Einkaufszentrum ist alles andere als gepflegt …
Diese Immobilie gehört einem Immobilienfonds mit vielen Eigentümern, die kaum zu greifen sind. Von dieser Seite besteht kein Interesse mehr daran, in das Gebäude zu investieren. Die Stadt hat hier kaum Möglichkeiten. Aber wenn der Quartiersmanager darin sein Büro mit einem Bildungscafé einrichtet, dann wäre das eine erste Aufwertung.
Könnte die Stadt das Einkaufszentrum nicht einfach kaufen?
Natürlich wäre das ein Ziel. Aber angesichts der schwierigen Gemengelage bezweifle ich, dass wir die Immobilie bekämen, selbst wenn wir das Geld dafür hätten.
Ein weiteres Problem ist das Stadtteilzentrum. Das Gebäude müsste mit rund vier Millionen Euro grundsaniert werden. Da passiert also auch nichts?
Wir prüfen jetzt erst mal, was genau getan werden muss, damit uns dieses Haus, das rege genutzt wird, nicht verloren geht. Ob die Stadtverordneten eine Grundsanierung bewilligen, kann ich nicht sagen. Ich werbe aber dafür.
Biebrich Südost und das Westend haben von dem Programm Soziale Stadt bereits profitiert. Was hat sich dort getan?
Die Aktivitäten wurden verzahnt und das Quartiersmanagement zum Knotenpunkt des Stadtteillebens. Der Verein Kubis im Westend und der Bauhof in Biebrich sind Anlaufstellen geworden, die wir auch nach dem Abschluss des Programms Soziale Stadt weiter erhalten.
Die Koalition baut für rund 150 Millionen Euro eine neue Rhein-Main-Halle, aber für die Bewohner des ärmsten Stadtviertels ist kaum Geld da. Ärgert Sie das als Sozialdezernent und Sozialdemokrat?
Ich fühle mich als Sozialdezernent nicht ungerecht behandelt. Schließlich hat die Koalition bereits den Etat für die Kinderbetreuung um einen zweistelligen Millionenbetrag aufgestockt. Außerdem hat die Rhein-Main-Halle für die Stadt als Ganzes eine zentrale Funktion schon wegen der vielen Arbeitsplätze, die an dem Messe- und Kongressbetrieb hängen.
Befürchten Sie soziale Unruhen, wenn sich in dem Problem-Stadtteil nichts tut?
Ich setze mich nicht für den Schelmengraben so ein, weil ich Angst hätte, dass der Stadtteil in nächster Zeit kippen könnte oder wie in den französischen Vororten Autos brennen werden. Es gab im Schelmengraben keine Unruhen und es gibt auch jetzt keine Anzeichen dafür. Aber es gibt Zahlen, dass der Stadtteil bald abgehängt sein könnte.
Was meinen Sie mit abgehängt?
Es ist belegt, dass die Menschen im Schelmengraben sich weniger am sozialen und kulturellen Leben dieser Stadt beteiligen können als Menschen der anderen Stadtteile. Es gibt Kinder, die kennen Angebote wie den Biberbau oder die Fasanerie nicht. Mein Anspruch lautet aber: Keiner darf abgehängt werden!